Taras Maygutiak als Schöffe entlassen

Mit Beschluss vom 31. Oktober 2024 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den AfD-Bundestagskandidaten im Wahlkreis 284 Offenburg, Taras Maygutiak, von seinem Amt als ehrenamtlicher Richter beim Verwaltungsgericht entbunden (Aktenzeichen 1 S 1430/24). Dies erfolgte auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungs-gerichts Freiburg vom 12. September 2024 wegen „einer gröblichen Amtspflichtverletzung“: Maygutiak hat im Juli gegen das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 43 DRiG verstoßen.


Der AfD-Kreisvorsitzende Maygutiak war 2020, während der Corona-Pandemie und unbeachtet von der Öffentlichkeit, zum ehrenamtlichen Richter (Schöffen) am Verwaltungsgericht Freiburg gewählt worden. Am 10. Juli 2024 nahm das damalige Mitglied des AfD-Landesvorstands erstmals an einer Sitzung des Verwaltungsgerichts teil. Es ging in dem Verfahren um die Pflicht zur Rückzahlung von Krediten aus der Corona-Zeit. In mehreren Fällen wurden Rückforderungsbescheide der Landes-kreditbank aufgehoben. Maygutiak selbst hatte öffentlich immer wieder gegen Corona-Maßnahmen protestiert.


Ausweislich zweier Screenshots von Aufstehen gegen Rassismus Offenburg, die dem Gericht zur Kenntnis gebracht wurden, veröffent-lichte Maygutiak am 11. Juli 2024 auf seinem Facebook-Account folgenden Post: „Gestern zehneinhalb Stunden als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Freiburg mein Gehirn in die Waagschale geworfen. Fünf Widerspruchsbescheide der L-Bank hat die 14. Kammer aufgehoben. Der Ball liegt wieder bei denen im Feld. Aller Voraussicht nach geht’s vor dem VGH Mannheim weiter“. Derselbe Text des Mit-begründers der Patriotischen Plattform und Erstunterzeichners des Erfurter Manifests wurde bereits am Abend des Sitzungstags über den rechten Telegram-Kanal „Freies Baden - echte Demokratie“ verbreitet (die Beiträge sind inzwischen gelöscht).


Nach Kenntnisnahme der Posts wies der der Vorsitzende der 14. Kam-mer den ehrenamtlichen Richter Maygutiak am 12. Juli 2024 telefonisch auf die rechtliche Problematik seines Verhaltens hin. Laut Beschluss erklärte Maygutiak, dass ihm das Beratungsgeheimnis und dessen Bedeutung bewusst seien, weil er in der Vergangenheit Schöffe bei einer kleinen Strafkammer gewesen sei und als Journalist über Gerichts-prozesse berichtet habe. Er habe jedoch angenommen, dass der eine Satz, den er zum Ausgang des Verfahrens gepostet habe, unproble-matisch sei – „die Message sei jedoch angekommen“. Der Kammer-vorsitzende setzte daraufhin den Präsidenten des Verwaltungsgerichts über den Vorgang in Kenntnis.


Dieser hörte den AfD-Politiker mit Schreiben vom 13. August 2024 zu einem denkbaren Antrag auf Entbindung vom Amt an. In einer E-Mail vom 29. August 2024 spielte Maygutiak den Vorgang herunter: Er habe lediglich im kleinen Kreis zwei Sätze zu einem SWR-Artikel geschrieben und sich dabei an das gehalten, was in der öffentlichen Verhandlung geäußert und von ihm im Internet vorgefunden worden sei. Ihm sei klar gewesen, dass er erst auch für ein breiteres Publikum schreiben könne, wenn eine Pressemeldung des Gerichts rausgegangen wäre. Der Telegram-Kanal sei ihm gar nicht bekannt, einer „wirklichen Schuld“ sei er sich nicht bewusst. Selbstverständlich werde er aber künftig keine Meldungen mehr weitergeben, bevor ihm eine Pressemitteilung des Gerichts bekannt sei - nicht zuletzt, um sich selbst nicht in Verlegenheit zu bringen.


Dem Beschluss zufolge hat der Präsident des Verwaltungsgerichts mit Schreiben vom 12. September 2024 beim Verwaltungsgerichtshof die Entbindung des ehrenamtlichen Richters wegen einer gröblichen Verletzung seiner Amtspflicht zur Verschwiegenheit beantragt. Maygutiak, der zuletzt wegen des Postens von Hakenkreuzen zu einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig), hat sich dazu mit Schreiben vom 30. Oktober 2024 erneut geäußert, wobei er auf seine Stellungnahme gegenüber dem Präsidenten verwiesen und überdies richtiggestellt hat, dass er „entgegen der irrtümlichen Annahme des Kammervor-sitzenden“ zu keinem früheren Zeitpunkt ehrenamtlicher Richter oder Schöffe gewesen sei, sondern lediglich als Journalist häufig über Strafprozesse und einige Zivilsachen an Amts- und Landgerichten sowie über Verhandlungen am Bundesverfassungsgericht berichtet habe.


Nach Würdigung aller Umstände war damit für das Verwaltungsgericht Baden-Württemberg belegt, dass der ehrenamtliche Richter gegen die ihm obliegende Pflicht zur Wahrung des Beratungs- und Abstim-mungsgeheimnisses vorsätzlich in erheblicher Weise verstoßen hat. Nach Überzeugung des Senats bietet Maygutiak nicht die erforderliche Gewähr dafür, „künftig die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Pflichten bei der Ausübung des Amtes einzuhalten. Seine Äußerungen im Rahmen der Anhörung durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts begründen hieran ernsthafte Zweifel“, heißt es. Seine relativierenden Ausführungen ließen nicht erkennen, dass er die Tragweite und Bedeutung seiner Pflichten zutreffend verinnerlicht hat, und vermittelten nicht den Eindruck, dass er sich zukünftig unein-geschränkt daran zu halten beabsichtigt. Gemessen an den gesetzlichen Anforderungen liege demnach eine gröbliche Amtspflichtverletzung des ehrenamtlichen Richters vor, die zu dessen Entbindung führt. Der Be-schluss ist unanfechtbar.


Wir als Aufstehen gegen Rassismus Offenburg begrüßen die Entlassung eines rechtsextremen Aktivisten aus dem Amt eines ehrenamtlichen Richters auch aus politischen Gründen. Und wir fordern kommunale Einrichtungen, Kreis- und Gemeinderäte sowie Parteien, Gewerkschaften und andere Institutionen in Baden-Württemberg nochmals dazu auf, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst zu werden und künftig keine AfD-Politiker mehr fahrlässig für solche Ämter vorzuschlagen.


Wie das Beispiel zeigt, können Menschen, die sich mit ihrer als rechtsextremistisch anzusehenden Gesinnung nicht an die Grundfesten unserer Demokratie sowie Recht und Gesetz nach der Verfassung gebunden fühlen, nicht als unabhängige und neutrale Richter in Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Politiker einer rechtsextremistischen Partei wie der AfD sind sittlich und moralisch ungeeignet für die Ausübung eines Richtersamtes, denn ihnen geht es nicht um unabhängige Rechtsfindung, sondern um ihre eigene, politische, unsere Demokratie gefährdende Agenda.